Das Ingolstädter Kreuztor entstand als drittes Stadttor im Zuge der Neuanlage des zweiten Stadtmauerringes (14./15. Jh.) und hat neben dem ersten Feldkirchener Tor (erbaut 1368 und im heutigen Schlosskomplex noch erhalten) den Abbruch aller anderen Stadttore überstanden.
Der Bau von Stadtmauer und Stadttoren war im Mittelalter trotz finanzieller Unterstützung durch den Landesherrn eine der wichtigsten und kostenintensivsten Aufgaben einer Stadt. So blieb dieses Stadttor, zu dem nach Ausweis der steinernen Torinschrifttafel 1385 der Grundstein gelegt wurde, bis zum heutigen Tage im Eigentum der Stadt und ihrer Bürger.
Den Architekten des Kreuztores kennen wir nicht. Die hervorragende architektonische Gestaltung macht ihrem Erbauer heute noch alle Ehre und ohne Übertreibung zählt das Kreuztor mit zu den schönsten und malerischsten Stadttoren Deutschlands.
Auf einem quadratischen Unterbau erhebt sich ein von vier Ecktürmchen eingesäumter und von einem Zinnenkranz bekrönter achteckiger Turmaufsatz, der von einem steilen Turmhelm bedeckt wird. Vor den Hauptbau legt sich ein von zwei Rundtürmen flankierter, zwingerartiger Vorbau. Der Bauschmuck ist bescheiden. Neben einem Spitzbogenfries aus Werkstein und dem bayerischen Rautenwappen an der Feindseite, findet sich an der einfach gehaltenen Fassade der Torinnenseite lediglich das Stadtwappen.
Das Tor war einst verputzt. Diese Putzschicht diente einmal zum Schutz des relativ weichen Ziegelmauerwerks, zum anderen hätte man einem Angreifer niemals die bauliche Beschaffenheit seiner Verteidigungsanlagen so offen präsentiert. Die rohen Übergänge vom Werkstein zum Mauerwerk lassen ebenfalls auf eine ehemalige Putzschicht schließen.
Bei der Generalsanierung in den 60er Jahren hat man weitgehend Putzreste entfernt, um die romantisierende Vorstellung des 19. Jahrhunderts einer Backsteinfassade, die mit der Westfront der Liebfrauenkirche zum lngolstädter Wahrzeichen geworden war, am Leben zu erhalten.
Seinen Namen verdankt das Kreuztor dem Aussätzigenhaus mit Kirche zum Hl. Kreuz, das ehemals im Westen vor der Stadt lag und im 16. Jahrhundert der Anlage eines gewaltigen Bollwerkes weichen musste, das den westlichen Zugang in die Stadt sicherte und heute am Stadtmodell von Jakob Sandtner (1572/73) noch abzulesen ist.
Der Graben, über den eine einspurige Brücke in die Stadt führte, wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgefüllt. Da der untere Torbereich im Boden versank, wurde das Tor seiner ursprünglichen, eleganten, hoch aufragenden Architektur beraubt. Zahlreiche Künstler haben das Tor in seinem ursprünglichen Zustand festgehalten, so unter anderem Carl Spitzweg und August Spieß, der es 1883/84 in einem Fresko über Parzival im Sängersaal von Schloss Neuschwanstein im Hintergrund abgebildet hat.
Nach Anlage einer zweiten Tordurchfahrt um ca. 1860 wurden die beiden Fußgängerdurchlässe erst 1929/30, beziehungsweise 1952 in die Stadtmauer gebrochen.
„Hört ihr Leut´ und lasst euch sagen ...“ - aus jenen alten Tagen berichtet heute noch der Ingolstädter Nachtwächter, wenn er seine abendlichen Stadtführungen am Kreuztor beginnt. Vieles weiß er aus dessen Geschichte zu erzählen, etwa als es Wachtor und Zollstation zugleich war. Denn hier mussten die Reisenden ihre Papiere vorweisen und Abgaben entrichten. Aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage an den damaligen Kaufmannsrouten von Nord nach Süd und von West nach Ost war Ingolstadt ein bedeutender Handelsplatz. Zölle und Abgaben, sowohl für die Stadt als auch für den Herzog, wurden größtenteils bereits an den Stadttoren eingefordert. Wichtige Güter waren Salz, Wein, Eisen und Holz. Neben diesen Zöllen wurde auch ein „Pflasterzoll“ verlangt - man bezahlte damit den Unterhalt der benützten Straßen. Bei Lastfuhrwerken berechnete man den Zoll nach der Zahl der vorgespannten Pferde.
Alljährlich erinnert der Förderverein Kreuztor in humorvoller Weise an diese alte Tradition. Immer am Faschingsdienstag wird für ein paar Stunden wieder Maut erhoben – die Faschingsmaut, auf freiwilliger Basis versteht sich. In historischen Gewändern als Torwache verkleidet, kassieren die Ehrenamtlichen den Obolus bei der Einfahrt in die Altstadt. Die Autofahrer nehmen´s mit Humor und spenden gerne, denn wohl jedem Ingolstädter liegt das Wahrzeichen als ein Stück Heimat am Herzen.